Eine kurze Ansprache, von Bapak Muhammad Subuh Sumohadiwidjojo (†), an Interessenten für Subud, Singapur, April 1960
Meine Damen und Herren,
Subud ist die Abkürzung der Wörter Susila – Budhi – Dharma. Subud ist weder eine neue Religion noch eine Sekte. Es ist auch keine Lehre, sondern ein Symbol für die Möglichkeit des Menschen, den richtigen Weg im Leben zu gehen.
Susila bedeutet die Fähigkeit, als wahrer Mensch nach dem Willen Gottes zu leben.
Budhi heißt, daß in allem, was Gott geschaffen hat, in jedem Geschöpf und also auch im Menschen, eine göttliche Kraft lebt, die in ihm und außerhalb von ihm wirkt.
Dharma bedeutet, daß alle Geschöpfe die Möglichkeit haben, sich vollkommen dem Willen Gottes zu unterwerfen.
Susila Budhi Dharma heißt, dem Willen Gottes zu folgen mit Hilfe der göttlichen Kraft, die in uns und um uns herum wirkt, indem wir uns Ihm hingeben. Susila Budhi Dharma ist Symbol für das, was wir im Latihan tun. Das heißt, was immer im Latihan geschieht, ist allein Gottes Wille und widerfährt uns, weil Gott es so will.
Das entspricht genau dem, was in den Heiligen Büchern wie der Bibel oder dem Koran geschrieben steht: Gott ist dem Menschen nahe, und wenn der Mensch sich Gott hingibt, dann kann Gott ihm geben, was er braucht; der Mensch kann empfangen, was Gott für ihn bestimmt hat.
Was aber müssen wir Gott hingeben ?
Es ist nicht unser Reichtum, noch sind es die Menschen, die wir lieben, oder was wir besitzen; denn Gott bedarf solcher Dinge nicht. Was wir hingeben oder unterwerfen müssen, das sind unser Verstand, unser Herz und unsere Wünsche, weil sie uns daran hindern, Gott näher zu kommen.
Es heißt, Gott hat keine Gestalt, keine Sprache, keine Heimat, keine Hautfarbe. Hätte Er eine Heimat, dann gäbe es mehr als einen Gott, denn für jedes Land würde es einen Gott geben. Hätte Er eine Hautfarbe, so gäbe es ebenfalls mehr als einen Gott, weil es Ihn in jeder Hautfarbe geben müßte.
Deshalb heißt es: Gott ist Einer und Herr über alles.
Gott schafft ohne Werkzeug und ohne Material. Will der Mensch etwas machen, z.B. einen Tisch, so braucht er Holz, Nägel, einen Hammer und andere Werkzeuge. Für die Herstellung einer Atombombe braucht er mehr als das.
Für Gott aber ist es anders. Er schafft ohne Material und Werkzeug. Daher kann der Mensch das, was in Gottes „Verstand und Herz“ vor sich geht, nur erkennen und verstehen, wenn er sich vollkommen hingibt. Denn mit seinem eigenen Verstand, seinem eigenen Herzen und seinen eigenen Wünschen wird er Gott niemals finden können. Allein durch vollkommene Hingabe, ohne Verstand, Herz und Wünsche zu gebrauchen, ist es dem Menschen möglich, mit Gottes Kraft in Berührung zu kommen.
Das ist es, was wir im Latihan, unserer geistigen Übung, tun. Wir geben uns vollkommen hin, wir machen keinen Gebrauch von Verstand, Herz und Wünschen – wir nehmen einfach hin und empfangen, was immer Gott geben mag. So werden Sie verstehen, daß Subud nur das Symbol für ein Leben ist, in dem der Mensch Gottes Willen für sich selbst erfüllen und verwirklichen kann in dieser und der kommenden Welt.
Deshalb gibt es im Latihan von Subud keine Lehre. Es gibt nichts, was wir lernen oder tun müßten. Alles, was von uns verlangt wird, ist völlige Hingabe. Wir machen uns keine Vorstellungen, sondern empfangen lediglich, was Gott uns gibt.
Diese göttliche Kraft, die während des Latihan in uns wirkt, wird für jeden von uns das hervorbringen, was schon in ihm ist. Wenn jemand z.B. eine laute und starke Stimme hat, so wird er sehr laute und starke Töne von sich geben. Wer aber keine so kräftige Stimme hat, wird leisere Laute hervorbringen. Das gilt für jeden Teil unseres Körpers, für jede Seite unseres Wesens. Deshalb kann das Latihan zweier Menschen niemals gleich sein, denn jeder unterscheidet sich von jedem anderen.
So ist klar, daß es in Subud keine Theorie oder geistige Lehre geben kann, weil jeder Mensch anders ist. Was immer er braucht, und was immer er empfängt, wird sich von dem unterscheiden, was ein anderer braucht und empfängt. Darum kann es keine Regeln oder Vorschriften geben, wie man sich im Latihan zu verhalten hat, denn das ist etwas Persönliches für jeden einzelnen.
Jeder Mensch wird für sich den rechten Weg zu Gott finden, und was für den einen richtig sein mag, kann für den anderen ganz und gar falsch sein. Daher dürfen Sie nicht meinen, Sie müssen Muhammad Subuh folgen oder so werden wie er. Sie müssen Sie selbst werden und Ihr inneres Selbst entwickeln, wenn Sie den Weg zu Gott finden wollen. Sie sollten niemandem folgen und niemanden nachahmen. Denn Sie müssen Ihren eigenen Weg zu Gott finden.
Ein Lehrer hingegen bringt seinen Anhängern zumeist genau das bei, was er selbst tut, damit auch sie erreichen, was er erreicht hat. Doch das ist wirklich falsch, denn nicht nur zwischen Lehrer und Schülern besteht ein großer Unterschied, sondern bereits leibliche Brüder unterscheiden sich sehr voneinander, nicht nur in ihrer äußeren Erscheinung, sondern auch in ihrem Charakter und in ihrem ganzen Wesen. So werden Sie verstehen, daß der Weg, der einen Lehrer zu Gott geführt hat, nicht unbedingt auch für seine Schüler richtig sein muß.
Es ist also Gott selbst, der Sie auf den Weg zu Gott führt. Und im Latihan geschieht es, daß Sie mit Ihrem echten inneren Selbst – Ihrem wahren Ich – vertraut gemacht werden. Sie brauchen keine Angst zu haben oder sich Gedanken zu machen über das, was im Latihan mit Ihnen geschieht, weil all dies bereits in Ihnen ist und aus Ihrem inneren Selbst kommt. Im Latihan erwacht Ihr wahres Ich, und deshalb brauchen Sie nichts zu befürchten.
In Subud ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Religionen nicht von Bedeutung. Denn jeder Mensch erfährt das, was schon in ihm ist. Ein Christ wird dem wahren Christus und ein Buddhist dem wahren Buddha in sich begegnen. Ebenso wird ein Moslem Mohammed in sich begegnen.
Wenn Sie Ihr inneres Selbst wirklich kennen, dann werden Sie bei allem, was Sie tun, von der göttlichen Kraft geführt werden, denn diese wirkt in Ihnen durch Sie selbst. Ob Sie in Ihrem Büro arbeiten oder Auto fahren oder sonst etwas tun, Sie werden von Gottes Kraft geführt, die immer in Ihnen und außerhalb von Ihnen wirkt.
So steht im Koran, daß man vor jedem Beginnen sagen sollte:“Bismillahir Rachmanir Rahim“ (im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen). Das bedeutet, Gottes Führung zu folgen und nicht hastig etwas zu beginnen, um sich erst hinterher an Gott zu erinnern und vielleicht zu bereuen, was man getan hat. Wenn Gott immer allem vorangeht, was wir tun, dann kann es nur richtig sein. Wenn Christen vor dem Essen oder Schlafen beten, hat das die gleiche Bedeutung.
Mancher wird fragen, woher Bapak das alles weiß. Die Antwort ist: Er hat es empfangen, als er in der gleichen Lage war wie Sie jetzt. Er arbeitete damals in einem Büro und tat, was immer es zu tun gab. Und er machte es sogar gern. Plötzlich aber hörte alles auf. Sein Denken arbeitete nicht mehr, sein Herz spürte nichts mehr, und seine Wünsche waren weg. Und dann empfing er, wie jeder im Latihan empfängt. Er suchte nicht nach Weisheit, er hatte keinen Guru, keinen Lehrer. Er hat es einfach empfangen. Das nennt man auf arabisch „Mujizat Allah“, ein Geschenk Gottes. Das wird einem Menschen nur zuteil, wenn er nichts erwartet oder sucht. Wenn er dafür bereit ist, wird Gott es geben.
Natürlich überläßt Bapak Ihnen die Entscheidung, ob Sie am Latihan teilnehmen wollen oder nicht, denn bei der Anbetung Gottes gibt es keinerlei Zwang. Jeder muß darin frei sein. Doch wenn jemand darum bittet, kann er es empfangen.